Frauen in die Vorstandsetagen: Interview mit Diana Markaki-Bartholdi

Wallstreet Online, 16.09.2022

Frauen in Führungsposition sind wichtiger denn je.

Frauen in Führungspositionen sind fast doppelt so häufig wie Frauen insgesamt die einzige Frau in ihrer Etage. Besonders deutlich wird das in den Vorstandsetagen großer Unternehmen.Zwar hat sich die EU im Sommer 2022 auf eine Geschlechterquote in Vorstandsetagen bis 2026 geeinigt, doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg.Darüber haben wir mit Diana Markaki-Bartholdi, Gründerin von the Boardroom, gesprochen.

1. Hallo Frau Markaki, bitte stellen Sie sich unseren Lesern kurz vor.

Ich bin eine internationale Anwältin, spezialisiert auf M&A und Kapitalmärkte, hauptsächlich im Energie- und Infrastruktursektor. Im Laufe meiner Karriere habe ich internationale und nationale Börsengänge (IPOs und Zweitnotierungen) sowie große M&A-Projekte in New York, Mailand, London und Athen betreut. Seit 8 Jahren lebe und arbeite ich in Zürich. Ich verfüge über mehr als 15 Jahre Erfahrung in regulierten Märkten (Energie und Versorgungsunternehmen) und hatte Führungspositionen bei einigen der größten europäischen Energieinfrastrukturprojekte inne. Als Global Director habe ich in 60 Ländern auf 5 Kontinenten multidisziplinäre, kulturell vielfältige und geografisch verteilte Teams geleitet. Ich war Mitglied des Verwaltungsrats von ELLAKTOR, einem börsennotierten Infrastrukturkonzern, der weltweit in mehr als 30 Ländern tätig ist. Zudem bin ich Mitglied des Verwaltungsrats von 5G Ventures SA, das den Phaistos Fund verwaltet, einen millionenschweren Investmentfonds, der in 5G-Technologien investiert, wo ich auch Vorsitzender des Prüfungsausschusses des Verwaltungsrats bin. Derzeit bin ich Equity Partner in einer internationalen Investmentfirma mit Sitz in London, die sich auf ESG- und Impact-Investitionen fokussiert. Nicht zuletzt bin ich die Gründerin von the Boardroom, dem ersten privaten Club für weibliche Führungskräfte, die in den Verwaltungsrat aufsteigen wollen. Der Club wurde letztes Jahr in der Schweiz gegründet und expandiert bereits in ganz Europa. Ich habe einen Abschluss in Jura und einen LLM in internationalem und europäischem Recht von der Universität Athen sowie einen Executive MBA von der Harvard Business School.

2. Sie wollen Frauen helfen, in die Vorstände großer Unternehmen zu kommen. Wie genau machen Sie das?

Bei the Boardroom haben wir einen ganzheitlichen Ansatz für die Vorbereitung auf die Vorstandstätigkeit entwickelt, der auf vier Säulen beruht. Die Weiterbildung für angehende Vorstandsmitglieder stellt die erste Säule dar. Unser Schulungsprogramm für Vorstände basiert auf einem 5-moduligen Lehrplan, der Themen wie Unternehmensführung, Finanzen, Recht und Compliance sowie Simulationen von Vorstandssitzungen abdeckt, die von renommierten Experten durchgeführt werden. Die zweite Säule ist unser Inner Circle-Programm, das eine Kombination aus Führungsentwicklung und Peer-Learning darstellt. Unsere Mitglieder entwickeln innerhalb einer ausgewählten Gruppe von weiblichen Führungskräften aus verschiedenen Branchen, Unternehmen, Funktionen und Hintergründen durch praktische Übungen, die von unseren Executive Coaches geleitet werden, vorstandsrelevante Führungsqualitäten. Die dritte Säule umfasst männliche Unterstützer (Männer in Machtpositionen, die die Bindung von weiblichen Führungskräften an das Unternehmen und die Vielfalt in den Vorständen unterstützen), aber auch exklusive Vortragsveranstaltungen mit CEOs, erfahrenen Vorstandsmitgliedern und Branchenikonen sowie den Zugang zu Personalberatungsfirmen und Vorstandsmöglichkeiten. Unsere vierte und letzte Säule umfasst den exklusiven Zugang der Mitglieder zu einem hochmodernen Clubhaus sowie inspirierende Veranstaltungen mit renommierten Vorbildern und einflussreichen Gästen aus aller Welt (wie Cindy Gallop und Shelley Zalis), denn „man kann nicht sein, was man nicht sieht”.

3. Glauben Sie, dass die von der EU im Sommer 2022 vereinbarte Geschlechterquote in Führungsetagen bis 2026 erreicht werden kann?

Auf jeden Fall. Ich glaube, dass es viele qualifizierte Frauen gibt, die sowohl die Fähigkeit als auch die Bereitschaft haben, Führungsaufgaben zu übernehmen. Aber das wird nicht von allein geschehen; es bedarf konzertierter Anstrengungen, sowohl von Männern als auch von Frauen, von Unternehmen und vom Staat.

4. Welche Erfahrungen haben Sie in den 1,5 Jahren von the Boardroom gemacht?

Vor kurzem haben wir den ersten Jahrestag des Boardroom gefeiert. Eine wunderbare Gelegenheit, über all das nachzudenken, was wir seit Beginn dieser Reise erreicht haben. In diesem ersten Jahr konnten wir ein solides Fundament legen; der Betrieb unseres Hubs in der Schweiz hat uns wertvolle Erkenntnisse darüber verschafft, was funktioniert und was nicht. So konnten wir unser Angebot verfeinern und unsere Pläne, im zweiten Jahr in andere Länder zu expandieren, weiterverfolgen. Angesichts der Tatsache, dass uns in einigen der am weitesten entwickelten Länder der Welt grundlegende Menschenrechte vorenthalten werden und wir durch soziale Stereotypen in Wirtschaft und Politik behindert werden, war es noch nie so wichtig wie heute, unsere Kräfte zu bündeln und eine solide Pipeline von aufstrebenden Frauen in Machtpositionen aufzubauen.

 

5. Warum gerade Deutschland? Und warum gerade in Frankfurt?

Viele unserer Mitglieder in der Schweiz kommen ursprünglich aus Deutschland. Gleichzeitig haben wir festgestellt, dass es in Deutschland ein großes Potenzial an qualifizierten Frauen für die Übernahme von Aufsichtsratsmandaten gibt. Wir glauben, dass Frankfurt einen vielfältigen und internationalen Pool an weiblichen Talenten bietet, der als solider Einstiegspunkt dienen könnte, bevor wir in andere Teile Deutschlands expandieren.

6. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Frauen in C-Level-Positionen?

Ich nenne das die „Onliness“: Eine von wenigen oder gar die einzige Frau in einem Raum voller Männer zu sein. Sich doppelt so stark beweisen zu müssen, um Erfolg zu haben. Die Überwindung von Vorurteilen und Stereotypen über die Rolle der Frau in der Wirtschaft und die Erkenntnis, dass nicht jeder daran gewöhnt ist, Frauen in der Führungsetage zu sehen. Und ganz sicher das Fehlen von Vorbildern.

7. Was können Unternehmen tun, um Frauen von Anfang an auf eine mögliche Rolle in den Vorständen vorzubereiten?

Board-Readiness entwickelt sich nicht über Nacht. Um die Diversität in den Vorständen zu erhöhen, müssen die Unternehmen mehr Frauen in Führungspositionen bringen und fördern. Sie müssen geschlechtsspezifische Karrierewege aufbrechen, damit Frauen nicht in Jobsilos stecken bleiben, die traditionell weiblich besetzt sind, wie z. B. Kommunikation, Personalwesen und unterstützende Funktionen. Und – was am wichtigsten ist – sie müssen eine Kultur der Inklusion fördern, d. h. sie müssen mit der bewussten Absicht führen, denken und handeln, alle einzubeziehen.

8. Was sind die strukturellen Probleme in großen Unternehmen?

Der ungleiche Zugang zu Sponsorship bzw. Förderung am Arbeitsplatz ist eines der wichtigsten organisatorischen Hindernisse, die Frauen zurückhalten. Frauen werden in der Regel ermutigt, sich zu verändern und anzupassen, um in einem großen Unternehmen voranzukommen, während Männer öffentliche Unterstützung erhalten und dabei unterstützt werden, ihre Karriere selbst in die Hand zu nehmen. Ähnlich verhält es sich mit dem Fehlen gezielter Entwicklungserfahrungen für weibliche Talente – wie z. B. die Übernahme von Verantwortung für die Gewinn- und Verlustrechnung, die Leitung einer Produkt- oder Teamumstellung, die Erschließung einer neuen Einnahmequelle oder internationale Aufgaben. Der Mangel an Vorbildern und weniger mächtige Netzwerke ist ein weiterer hemmender Faktor, während implizite Voreingenommenheit und geschlechtsspezifische Stereotypen den Aufstieg von Frauen in großen Unternehmen ebenfalls oft behindern, insbesondere weil sie schwer zu beobachten oder zu beeinflussen sind.

9. Was ist Ihr persönliches Fazit aus Ihrer Zeit in Aufsichtsräten?

Diversität ist wichtig, vor allem auf Vorstandsebene. Wir leben in einer komplexen und sich schnell verändernden Welt, so dass die Vielfalt an Fachwissen, Erfahrung, Perspektiven, Geschlecht und Alter, um nur einige zu nennen, bei der Entscheidungsfindung von essenzieller Bedeutung ist. Diversität fördert Meinungsverschiedenheiten – und das ist gut so. Bei geschäftlichen Entscheidungen ist es das Schlimmste und die größte Zeitverschwendung, wenn man sich an einen Tisch setzt und sich alle einig sind.

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